Von Demokratie, Freiheit und guten Argumenten

Ich habe gestern einen Artikel darüber gelesen, wie es um die Meinungsfreiheit bzw. um die freie Meinungsäusserung in der Schweiz steht.

Das Thema tauchte bei mir auch auf im Zusammenhang mit Klimaaktivist_innen, welche stärkere, staatliche Vorgaben forderten. Ich verfolge es bei den Diskussionen um gendergerechte oder inklusive Sprache und es hat mich als Bernerin in der Berichterstattung um die Brasserie Lorraine beschäftigt. 


Für mich treten zwei Begriffe hervor, die ich für mich klären möchte. Freiheit und Demokratie. Was bedeuten sie? Demokratie ist in erster Linie die Staatsform, mit der ich gross geworden bin. Die «Staatsgewalt» – obwohl dieser Begriff bei mir schon ein leichtes Unbehagen auslöst –  liegt bei der Bevölkerung. Gemäss Bundesamt für Statistik sind rund 63% der Gesamtbevölkerung stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger. – Wer alles in den auserwählten Kreis der Stimmberechtigten gehört, ist Teil des Aushandlungsprozesses. Das bedeutet, dass nicht alle mitbestimmen können. So wurden in der Schweiz nach und nach – je nach Kanton in unterschiedlichem Tempo – auch jüdischen Personen und Frauen Rechtsgleichheit eingeräumt. Im Gespräch sind aktuell die Senkung des Stimmrechtsalters und das Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer. Dies nur als Beispiele, wie sich das Verständnis für Demokratie ändern kann.


Um die demokratischen Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können, ist die Meinungs- und Pressefreiheit unerlässlich. Damit wir uns eine Meinung bilden können, benötigen wir Hintergrundwissen und ein Verständnis des Systems. Der Prozess der individuellen Meinungsbildung läuft über Informationssammlung und -bewertung. Ich bin dabei beeinflusst von meinen Vorstellungen und Werten, die ich mir aufgrund von persönlichen Erfahrungen, kultureller Prägung und meiner Persönlichkeit angeeignet habe. Dazu kommt der Austausch mit anderen, Reflexion des Gehörten oder Gelesenen sowie Selbstreflexion. Bei der Auswahl der Quellen, ob Medien oder Personen lasse ich mich ebenfalls von meinen Vorstellungen, Erfahrungen etc. leiten. Das bedeutet, dass ich «Gefahr» laufe, mich in einer Blase zu bewegen und mich nicht ausserhalb meines gewohnten, vertrauten Kreises begebe. Einfach gesagt, suche ich Informationen, die meine Haltung stützen. 


Was benötige ich, damit ich mich von etwas (Neuem) überzeugen lasse?



Es sind nur zu einem kleinen Teil die wissenschaftlich belegten, stichhaltigen Argumente.  Was uns beeinflusst sind viel mehr Faktoren wie Authentizität, Glaubwürdigkeit oder Sympathie.


Eigentlich kann nur ich mich selbst überzeugen. Ich entscheide aus freien Stücken, welcher Meinung ich folgen will. Wenn ich jemanden anderen von etwas überzeugen möchte, muss ich mein Gegenüber dazu bringen, mir zuzuhören und es zum Mitdenken und Mitfühlen einladen. Ich gehe auf Bedenken und Einwände ein. Argumentieren bedeutet, einen Beweis führen, jemanden motivieren.  


Freiheit leben 


Eine echte Argumentation manipuliert nicht, sondern lässt dem Gegenüber die komplette Handlungsmöglichkeiten offen. Wenn jemand von etwas überzeugt ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er oder sie danach handelt. Ich kann überzeugt sein, dass mir mehr Bewegung gut tun würde und nehme trotzdem den Lift. Ich bin überzeugt, dass die Klimakrise unverzügliches Handeln fordert und verzichte trotzdem nicht auf gewisse Annehmlichkeiten im Alltag.


 


Argumentieren bedeutet im Dialog mit dem Gegenüber zu sein. Ich versuche ihn oder sie zu verstehen. Was bewegt die Person, was ist ihr wichtig? Friedemann Schulz von Thun sagt: Verstehen heisst nicht einverstanden sein. Das heisst, ich muss die Meinung nicht teilen, um nachvollziehen zu können, was andere zum Handeln veranlasst.  


Hier beginnt für mich der demokratische Aushandlungsprozess und die freie Meinungsäusserung. Ich bin transparent in meinen Aussagen, was nicht bedeutet, dass ich mich ungefiltert und verletzend äussere. Ich riskiere damit lediglich, eine Verhärtung statt der gewünschten Öffnung.  


Die Demokratie lebt vom Dialog.




Nur so werden kollektive Entscheidungsfindung und neue Lösungsansätze möglich, die von einer Mehrheit getragen werden. Demokratische Prozesse sind langsame Prozesse, was angesichts gewisser Dringlichkeiten unerwünscht sein kann. Doch möchte ich diese Kultur des Aushandeln und des gemeinsamen Tragens eines Entscheides nicht missen. Ich lade Sie ein, sich am wertschätzenden Dialog zu beteiligen, gerade jetzt, wo wir so viele Kanäle wie selten zur Verfügung haben, gerade jetzt, wo wir vor komplexen Herausforderungen stehen.

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Praxiskurse wo wir argumentieren lernen und üben: 


Von Demokratie, Freiheit und guten Argumenten
sanu future learning ag, Christine Gubser 15. Februar 2023
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