Die Herausforderung der Nachhaltigkeit annehmen – oder lernen, anders zu innovieren

Methoden aus der Theory U
Die Lage ist verzweifelt


Wenn man sich mit Nachhaltigkeit befasst, ist die Bilanz bitter, manchmal sogar beängstigend: Sieben der neun definierten planetarischen Grenzen sind bereits überschritten, und die Erde hat die stabile und widerstandsfähige Zone verlassen, in der sich die Menschheit in den letzten 10'000 Jahren entwickelt hat. Dennoch sind die Grundbedürfnisse eines Grossteils der Weltbevölkerung nicht gedeckt. Ohne tiefgreifende Veränderungen unserer Ernährungs-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Gesundheitssysteme wird sich die Kluft zwischen ökologischen und menschlichen Herausforderungen weiter vergrössern, ohne dass eine echte Lösung in Sicht ist.


Kontinuierliche Verbesserungen reichen nicht aus


Seit Jahrzehnten bemühen wir uns, alles gleichzeitig zu erreichen: bessere Leistungen zu erbringen, die Umweltbelastung zu verringern, Kosten zu senken, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker zu achten – und zugleich unsere finanziellen Margen zu steigern. Doch wir müssen einsehen, dass unsere bisherigen Mantras von Optimierung und kontinuierlicher Verbesserung an ihre Grenzen gestossen sind. Solange wir die grundlegenden Geschäftsmodelle unserer Unternehmen und Organisationen nicht in Frage stellen – um zu einer Kreislaufwirtschaft, einer regenerativen Wirtschaft oder einer Wirtschaft mit positiver Wirkung zu gelangen –, solange wir weiterhin in Silos über öffentliche Politik nachdenken, werden wir in den Grenzen des Möglichen stecken bleiben. Wir unternehmen enorme Anstrengungen ... für Ergebnisse, die im Grunde genommen äusserst frustrierend sind.


Die Fronten verhärten sich und die Situation erstarrt


In den letzten Jahren haben wir viel auf Wissen, Information und Sensibilisierung gesetzt. Das Ergebnis? Eine Gesellschaft, die von drei Formen der Frustration geprägt ist:

  • die Frustration derjenigen, die Bescheid wissen und nicht verstehen, warum sich die anderen nicht än-dern,
  • die Frustration derjenigen, die es wissen, aber nicht sehen, wie sie sich ändern können,
  • die Frustration derjenigen, die einfach nichts mehr wissen wollen.

Die Positionen verhärten sich, die Fronten verhärten sich, und nichts geht mehr voran.


Und doch gibt es Lösungen


Die gute Nachricht ist, dass wir uns zwar der Schäden bewusst geworden sind, die den planetarischen Grenzen und den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen zugefügt werden, aber auch entdeckt haben, dass ein sicherer und gerechter Raum für die Menschheit möglich ist. Genau das veranschaulicht die von Kate Raworth entwickelte Donut-Theorie: ein Modell, das zeigt, dass es zwischen dem Schutz des Planeten und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen einen Bereich nachhaltigen Gleichgewichts gibt.


Copyright : www.kateraworth.com/doughnut/


Über das Umwelt- und Sozialmanagement hinausgehen


Um diesen gerechten und sicheren Raum des Donuts zu erreichen, geht es nicht mehr darum, einfach nur besser zu werden – indem wir uns an Indikatoren für kontinuierliche Verbesserung klammern, die uns in eine Sackgasse führen –, sondern darum, zu lernen, anders zu handeln. Wir müssen innovativ sein, ohne Innovation allein auf ihre technologische Dimension zu reduzieren. Denn obwohl Technologie oft die Optimierung eines bestimmten Ziels ermöglicht, haben wir selten die Kontrolle über ihre Nebenwirkungen, die manchmal beträchtlich sein können. Als Akteure der Nachhaltigkeit müssen wir lernen, uns nicht mehr nur auf Umwelt- oder Klimabilanzen zu stützen, um Gut und Böse zu unterscheiden. Wir müssen über die einfache Messung von Indikatoren und die mechanische Anwendung von Berichtsrichtlinien hinausgehen. Oder auch damit aufhören, die Men-schen mit Öko-Gesten zu langweilen oder zu beruhigen. Innovation bedeutet daher, unsere Geschäftsmodelle zu überdenken und dabei die gesamte Wertschöp-fungskette einzubeziehen – auch wenn dies bedeutet, die eigentliche Aufgabe unserer Organisationen in Frage zu stellen: eine äusserst sensible und strategische Herausforderung.


Möglichkeiten eröffnen, statt andere zu kritisieren


Wir sollten vor allem vermeiden, die Gesellschaft in «Gute» und «Böse» zu spalten oder Menschen in Identitätskategorien einzuordnen – seien sie nun positiv oder negativ besetzt –, wie Autofahrer, Vegetarier, Populisten, Parteimitglieder, Experten oder Helden. Die damit einhergehende Konfrontationslogik blockiert jede kollektive Weiterentwicklung von Praktiken. Im Gegenteil, es ist wichtig, offen zu bleiben: handeln und zeigen, was möglich ist, Begeisterung wecken, Alternativen unterstützen, Wege erkunden, auf unsere eigene Weise experimentieren – ohne uns von Identitätsetiketten einschränken zu lassen.



Sein statt Wissen


Wir wissen heute, dass ein wesentlicher Hebel für die Entwicklung von Lösungen, die an einen solchen Kontext angepasst sind, weniger im Wissen als vielmehr im Know-how und in den sozialen Kompetenzen liegt. Indem wir diese transformativen Kompetenzen in grossem Massstab wie auch innerhalb jeder Organisation – und vor allem in uns selbst – entwickeln, können wir die derzeitigen Grenzen überwinden. Die Lösungen für unsere globalen Herausforderungen werden dann nicht mehr zu langsam, zu kurzlebig oder zu punktuell sein, sondern nachhaltig und mit echtem Wandel verbunden.


Die Inner Development Goals (IDGs) oder Ziele der inneren Entwicklung sind ein Referenzrahmen für persönliche Kompetenzen, die innerhalb eines Teams gepflegt, gestärkt oder kombiniert werden müssen, um zu einem echten Akteur oder einer echten Akteurin des Wandels zu werden. Bei sanu nutzen wir diesen Referenzrahmen seit mehreren Jahren erfolgreich intern, um unsere Überle-gungen zu unseren Ausbildungszielen und zur Weiterentwicklung unserer Kompetenzreferenzrahmen zu lenken.



Copyright : Inner development goals


Anders handeln, weil wir es wollen, statt besser zu handeln, weil wir es müssen


Um echte Veränderungen in Gang zu setzen, muss jeder Einzelne die Möglichkeit haben, sich eine wün-schenswerte Zukunft vorzustellen, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen, in Verbindung mit anderen und mit der Realität der Welt. Es muss auch der notwendige Raum und Rahmen geboten werden, um neue, motivierende und sinnvolle Ansätze zu entwickeln. Wir müssen wieder lernen, zuerst den Rahmen zu setzen – die Fakten festzustellen und das Herzstück des Donuts anzustreben, zwischen ökologischer Obergrenze und sozialer Untergrenze. Dann müssen wir klären, warum (zum Beispiel, um in Würde und auf authentisch menschliche Weise im Ökosystem der Erde zu leben, oder konkreter, je nach Kontext). Schliesslich müssen wir gemeinsam erkunden, wie wir dies erreichen können. Es handelt sich um einen ehrgeizigen und spannenden Prozess der sozialen Innovation, der geeignete Methoden erfordert.



Die Methode der U-Theorie von Otto Scharmer


Die U-Theorie ist ein Ansatz, der entwickelt wurde, um komplexe Probleme anzugehen, die sich nicht aus früheren Erfahrungen lösen lassen. Sie versucht, mit gewohnten Denkmustern zu brechen, um eine tiefere und ganzheitlichere Sicht auf das System als Ganzes zu entwickeln, indem sie die Beziehungen und Zu-sammenhänge zwischen seinen verschiedenen Komponenten für alle Beteiligten sichtbar und verstän-dlich macht. Bei sanu integrieren wir regelmässig Elemente dieses Ansatzes in die Konzeption unserer Schulungen und Workshops. So können wir über die reine Vermittlung von Wissen oder Know-how hinausgehen und eine lebendigere, reflektierende und transformative Lernerfahrung fördern.



Copyright : www.presencing.org/theoryu


ANMERKUNG: Damit keine Missverständnisse aufkommen: Indikatoren, Prozesse, Berichterstattung oder sogar die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften bleiben unverzichtbar. Sie können jedoch nur den Wandel begleiten und verfolgen. Sie sind nicht dessen Motor.


Möchten Sie sich die Kompetenzen aneignen, um es zu versuchen?


In Zusammenarbeit mit dem Transform Action Lab bieten wir Ihnen eine Einführung in die Schlüsselele-mente der U-Theorie auf Französisch oder Deutsch an: Veränderungsprozesse mit sozialer Innovation begleiten. Dabei legen wir den Schwerpunkt auf die persönliche Haltung und Führung sowie das Verständnis systemischer Prozesse.


Die nächste Weiterbildung findet bereits am 14.01 & 04.02.2026 in Bern statt. Informationen und Anmeldung hier.




Die Herausforderung der Nachhaltigkeit annehmen – oder lernen, anders zu innovieren
sanu future learning ag, Marc Münster 27 octobre 2025
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