Wenn man sich mit dem Thema «Ökologisches Bauen» der letzten Zeit beschäftigt, nehme ich die Grafik zur Messbarkeit von Zirkularität im Bausektor hervor und beginne, eine zeitgemässe Geschichte zu erzählen.

Copyrght: Abbildung 1 – conspark GmbH - Messbarkeit von Zirkularität in Bausektor
Zunächst haben wir alle die Möglichkeit, auf Neues zu verzichten (R0 Refuse), das heisst, wir bevorzugen Umbauten und Umnutzungen. Zweitens müssen wir umdenken (R1 Rethink), auch im Bereich des ökologischen Bauens. Dabei sollten bereits realisierte Projekte hinterfragt werden. Insbesondere drei Projekte fallen mir da ein. Da wäre zum einen der begrüntes und berühmte Bosco Verticale, bei dem viele Bäume auf den Balkonen stehen, dessen Rohbau aber mit üblichem Stahl und Beton errichtet wurde. Das zweite Objekt ist das Wohnhaus mit Untergeschoss aus Holz, bei dem die Dämmung gegen Erdreich mit XPS ausgeführt ist. Das dritte Projekt ist Hortus, bei dem die Säulen aus Holz aus ungefähr 91 zusammengeklebten Balken bestehen. Diese Projekte sehen auf den ersten Blick ökologisch aus. Es lohnt sich, sie kritisch zu hinterfragen und ganzheitlich zu betrachten.
Dazu kommen wir zur grössten Herausforderung der Zukunft, nämlich der Reduzierung (R2 Reduce) von grauen Treibhausgasemissionen bei der Erstellung von Gebäuden. Auch im Bauwesen werden wir mit dem «Beyond Meat», also dem «Beyond Beton», konfrontiert sein. Die Pyramide der Baustoff-Diät zeigt uns, welche Baustoffe weniger Graue THG bei der Erstellung und Entsorgung benötigen.

Copyright: Abbildung 2 – The construction material pyramid
Die andere Geschichte ist die der drei kleinen Schweinchen, in der die statische Sicherheit heutzutage auch unter Berücksichtigung anderer Faktoren wie der Umwelt beurteilt wird. Das Fazit lautet, dass ein Haus aus Stroh oder Holz statt eines Massivbaus besser geeignet ist. In diesem Kontext muss man auch über einen Paradigmenwechsel reden. Das neue Faktenblatt von KBOB zeigt, dass die Ziele zur Netto-Null auch durch Materialeffizienz, den Einsatz von biogenen und natürlichen Baustoffen sowie den Verbau kreislauffähiger Materialien erreicht werden müssen. Beim energieeffizienten Bauen wurde bisher nur der Betrieb berücksichtigt, der aber nur für 16 % der gesamten grauen Emissionen verantwortlich ist. Die restlichen 84 % kommen von der Baustoffproduktion und Entsorgung. Das heisst, wie die neue SIA 390 anzeigt, dass weniger, anders und länger gebaut werden sollte. In all dem muss aber auch die Suffizienz berücksichtigt werden, da all diese Ziele nur mit einer reduzierten Wohnfläche pro Person erreicht werden können.

Copyright: Abbildung 3 - Webinar Treibhausgasbilanz über den Lebenzyklus von Gebäuden - RICS, HSLU, SSREI - Präsentation Heinz Wiher, Energieberater und Mitglied SIA 390/1
Nach dieser ersten Einführung folgt der schönste Teil: Es wird gebaut oder umgebaut und nun müssen die Baustoffe zum Einsatz (Use) kommen.
Bei der Materialauswahl müssen auch die Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Zunächst sind die subjektiven Faktoren zu nennen, die das Wohlbefinden jedes Menschen unterschiedlich beeinflussen, wie der Schutz gegen klimatische Faktoren und die Innen- und Aussengestaltung. Danach folgen die für jedes Bauprojekt geltenden Gesetze und Normen wie Baurecht, Brandschutz, Energieeffizienz und Schall- und Lärmschutz.
Baustoffe aus dem biologischen Kreislauf (B1-B4 Return organic feedstock to regenerate natural system) sind solche, die sich innerhalb kurzer Zeit erneuern und nach der Aufbereitung wieder zugeführt werden können. Und sie haben auch einen geringeren Treibhauseffekt. Dazu gehören:
- Holz wird als Konstruktionsvollholz oder als Holzwerkstoffplatte für Träger, Platten oder Wärmedämmung verwendet.
- Lehm wird als Verputz, in Form von Steinen oder Bauplatten sowie gestampft verwendet.
- Holz und Lehm können asserdem für Holzlehmdecken oder für Innen- und Aussenwände verwendet werden.
- Hanf eignet sich als Wärmedämmung.
- Kalk, entweder als Sumpf- oder als Luftkalk, dient als Bindemittel für Innen- und Aussenputz oder Anstriche.
- Hanf und Kalk als Steine, Hanf-Kalk-Beton oder Platten.
- Stroh als Strohballen, Einblasdämmung oder Platten.
- Schafwolle eignet sich als Akustik- und Wärmedämmung.
- Myzelium als Akustikdämmung.
- Mineralische Bindemittel für die Erstellung von zementfreiem Beton oder Steinen.

Copyright: Abbildung 4 – Holzlehmdecke, Projekt HORTUS,ARGE Blumer Lehmann & Lehm Ton Erde
Zum technologischen Kreislauf gehören Abfälle, die durch eine Erweiterung ihrer Lebensdauer (R3-R7 Extend lifespan of product and its parts) oder eine sinnvolle Verwertung (R8-R9 Useful application of materials) verwertet werden können. Dazu gehören:
- Als Wärmedämmung wird Zellulose aus Altpapier verwendet.
- Glasschotter aus Glas und Quarzsand eignet sich ebenfalls für die Wärmedämmung und Schüttung.
- PET-Flaschen für Akustik- und Dekorationsplatten.
- Kunststoff für Innenverkleidungen.
- Alte Kleider für Akustik- und Dekorationsplatten.
- Ananasblätter als Textil für Tapeten.
- Kokosfasern für Möbel oder Innenverkleidungen.
- Upcycling-Brand Klinker für Innen- und Aussenwände.
- Abbruchmaterial für die Herstellung von Platten zur Wärmedämmung.

Copyright: Abbildung 5 - Platten aus Kokosfasern, Cocoboard, NaturLoop
Ich möchte zwei Projekte erwähnen, die letztes Jahr fertiggestellt wurden und bei denen ökologische Baustoffe verwendet wurden.
Das Mehrfamilienhaus des Projekts OPENLY, das aus Hanf-Kalk-Steinen und vorfabrizierten Holzelementen mit Hanf-Kalk-Füllung besteht, zeigt, dass sich diese Baustoffe auch für grosse Gebäude eignen. Dazu gehört auch das gesamte Gebäudekonzept, bei dem der Rohbau von der Haustechnik getrennt ist und rückbaubar gemacht wird. Die Decken wurden mit wiederverwendeten Stahlträgern, einer Lehmschüttung und einem Trockenunterlagsboden ausgeführt. Für die Einrichtung wurden ebenfalls smarte Lösungen gefunden, sodass die Wohnungen flexibel gestaltet werden können.

Copyright: Abbildung 6 - OPENLY – Bild: Jordan Kouto
Der Pavillon Manal ist ein Leuchtturmprojekt für zukunftsweisendes Bauen. Entstanden aus der Zusammenarbeit von OXARA, der Hochschule Luzern (HSLU), Kibag, Terrabloc, der Marti AG und der ERNE AG, zeigt er eindrucksvoll, wie sich Beton und Steine mit mineralischen Bindemitteln statt Zement herstellen lassen. Als begehbares Labor bietet der Pavillon nicht nur spannende Einblicke, sondern dient auch der Forschung: Hier werden Tragfähigkeit und Wetterschutzfähigkeit der Materialien getestet und kontinuierlich weiterentwickelt.

Copyright: Abbildung 7 - Bild von Pavillon MANAL
Ökologisches Bauen